
Bloße Anerkennung reicht nicht
Ingenieur_innen sind die drittgrößte Berufsgruppe, die sich ihren ausländischen Abschluss in Deutschland anerkennen lässt. 2.800 waren es im vergangenen Jahr. Die Anerkennung von Ingenieur-Abschlüssen ist dabei Ländersache und regional unterschiedlich geregelt. Mal ist die Bezirksregierung zuständig, mal die Ingenieurkammer. Im kleinsten Bundesland Bremen hat diese ein bundesweit einmaliges Projekt gestartet. Nur hier ist die Kammer Mitglied im IQ-Netzwerk – und bietet neben der Anerkennungsberatung auch eine „Qualifizierungsbegleitung“.
Steffanie Schügl von der Ingenieurkammer Bremen berät seit 2015 ausländische Ingenieur_innen, die an die Weser kommen, um dort zu arbeiten. Dabei hat sie festgestellt, dass die bloße Anerkennung des mitgebrachten Abschlusses selbst oft nicht ausreicht, um beruflich Fuß zu fassen. „Es braucht da teils viel Begleitung“, sagt Schügl. Denn obwohl die Nachfrage nach Ingenieur_innen auch im Land Bremen groß ist, habe sie „ganz tolle Menschen mit oft sehr großer Berufserfahrung“ kennen gelernt, die keine Stelle gefunden haben. Die Gründe dafür seien vielfältig.
Ein Bauingenieur etwa, der seinen Abschluss anerkennen ließ, habe sofort nach seiner Ankunft in Deutschland einen Job in einem Fertigungsbetrieb gefunden. Diese Stelle hatte aber gar nichts mit seinem erlernten Beruf zu tun. „Der Mann wollte auf gar keinen Fall abhängig sein vom Staat.“ Hinzu kam, dass er möglichst schnell seine Familie nachholen wollte. „Das ist einfacher, wenn man eine feste Stelle hat, solche persönlichen Prioritäten darf man nicht vergessen“, sagt Schügl. Also blieb er in seiner fachfremden Beschäftigung. „Er ist da dann immer weiter aufgestiegen, weil er so fähig war.“ Deutsch habe er sich aber nur selbst neben dem Job beigebracht. „Er hat nie einen richtigen Kurs besuchen können, weil er schon eine Stelle hatte.“ All das hindere den Mann bis heute daran, einen Job in seinem gelernten Beruf zu bekommen. „Für ihn wäre das nun ein Risiko, seine feste Stelle im Betrieb aufzugeben und eine Position als Bauingenieur zu suchen.“ Der Ingenieur bekommt nun ein durch das IQ Netzwerk vermitteltes Sprachcoaching.
Bisweilen geht es bei dem Weg in den Arbeitsmarkt nicht nur um Zeugnisse, sondern auch um Kulturfragen. Schügl erarbeitet mit den Klienten „Qualifizierungspläne“ – und verrät ihnen dabei auch, ob es okay ist, im privaten Rahmen, wie z.B. beim Fußballspiel durchblicken zu lassen, dass man sich beruflich weiterentwickeln möchte.
Dort, wo viele ihrer Klient_innen herkommen, „geht man hin, arbeitet zur Probe und bleibt“, sagt sie. „In Deutschland ist das ganz anders: Hier hat die Bewerbung einen sehr großen Stellenwert. Und wenn man das nicht weiß, ist das ein echter Nachteil.“ Viele hätten „null Chancen eingeladen zu werden, weil sie absolut unpassende Bewerbungen“ schicken, sagt Schügl.
Ein großer Fehler: Standardanschreiben, verfasst teils mit Hilfe von Coaches, in denen viel über die Bewerber_innen steht – aber nichts Konkretes über das angeschriebene Unternehmen und die Stelle. „Arbeitgeber reagieren da fast alle gleich drauf: Das wird in der Regel sofort gelöscht“, sagt Schügl. „Zum Teil sind sie sogar verärgert und sagen, das ist ja ‘ne Frechheit.“ Umgekehrt höre sie Klagen der Bewerber_innen: „Ich hab‘ schon 150 Bewerbungen verschickt und nichts gehört.“
Um das Jahr 2016 herum waren viele von Schügls Klient_innen Geflüchtete. Heute machen diese etwa die Hälfte aller Ratsuchenden aus. Es kämen viele Frauen über Familiennachzug, Spätaussiedler_innen, Ost- und Südeuropäer_innen, zuletzt habe sie vermehrt mit türkischen Abschlüssen zu tun. „Da bildet sich das Weltgeschehen immer ein Stück weit ab.“
Die Sprache sei dabei ein wichtiges Thema. „Viele Bewerber_innen denken, dass Englisch ausreicht, aber das ist nicht so, jedenfalls nicht in Bremen. Man muss meistens schon auch gut Deutsch können“, sagt Schügl. Ein K.-o.-Kriterium sei dies aber nicht. „Ich höre immer wieder von den Arbeitgebenden, dass die zwar erwarten, dass man sehr gut Deutsch spricht. Aber wenn alles andere stimmt und die Bereitschaft da ist, fehlende Deutschkenntnisse aufzuholen, dann ist das zweitrangig. Dann sind die Passgenauigkeit und die Motivation wichtiger.“
Für ihre Arbeit wünscht sie sich mehr Kommunikation mit den Betrieben. Oft, so ihr Eindruck, werde ausländischen Ingenieur_innen, zumal aus bestimmten Regionen, „nicht so viel zugetraut“. Das ändere sich, wenn Arbeitgeber_innen dann doch ausländische Mitarbeiter anstellen.
Einige hätten ihre Erfahrungen bei Netzwerktreffen geschildert, die Schügl organisiert hatte. „Viele waren hinterher sehr zufrieden, die Mitarbeiter hätten sich sehr schnell eingearbeitet und seien sehr motiviert, berichten sie.“