Auf der Durchgangsstation
Porträt Anerkennung: Ruth K., Betriebsrätin Berlin
Jung und international ist das Klientel – ebenso wie die meisten der Beschäftigten. „Wir haben Kolleg_innen aus Brasilien und Südafrika, aus Kamerun und Nigeria, aus Australien und Osteuropa, aus Italien und Griechenland”, sagt die Betriebsrätin Ruth K. Und aus Österreich: Von dort ist K. selbst vor fünf Jahren nach Berlin gekommen um soziale Arbeit zu studieren. Nebenher fing sie an, in der Berliner Filiale einer großen europäischen Hostelkette zu arbeiten. Doch die Arbeitsbedingungen dort waren schlecht. K. wollte das nicht hinnehmen. Also gründete sie – gegen erbitterten Widerstand der Geschäftsführung – einen Betriebsrat, der in einem jahrelangen Arbeitskampf Rechte für die Beschäftigten durchsetzte.
Deren Bild ist für die Hostel-Branche typisch: „65 bis 70 Prozent” der Kolleg_innen stammen nicht aus Deutschland, schätzt K. – und „99 Prozent von denen betrachten die Arbeit als Durchgangsstation. Auf Dauer will keiner im Hostel arbeiten”. Eine Ausnahme seien lediglich einige ältere Kolleg_innen, die in der Reinigung arbeiten und die auch bis zur Rente weitermachen wollen. Doch gerade die sollen nun ausgegliedert werden. Die Übrigen haben meist Studienabschlüsse. Kolleg_innen, die früher handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt haben, „haben wir nicht so viele”, sagt K. „Die können meist wohl nicht gut genug Englisch, das braucht man aber im Hostel.” Doch bis zu einer qualifizierten Tätigkeit ist es weit. „Die meisten müssen und wollen sich weiterbilden.” Das heißt meist neben der Arbeit Deutsch lernen, in der Regel aus eigener Tasche bezahlt. Die meisten streben danach ein Aufbaustudium an. Nur so glauben sie, in Deutschland eine bessere Tätigkeit ausüben zu können.
K. und die anderen Betriebsrät_innen helfen, wo sie können. „Allerdings haben wir in unserer offiziellen Funktion als Betriebsrät_innen dafür keinen großen Spielraum”, sagt sie. „Wir sollen Beschäftigung zwar ‚sichern und fördern’, wie es heißt – aber nur im Betrieb, nicht außerhalb.” Also helfensie „oft als Privatpersonen”, sagt K. Beim Ausfüllen von Formularen, bei Anmeldungen an der Uni, bei Bewerbungen, der Qualifikationsanerkennung und beim Jobcenter. Dort, sagt K., sei es für die Kolleg_innen manchmal sehr schwierig. „Die Sachbearbeiter behandeln sie oft sehr abwertend, wenn sie sagen, dass sie in einem gelernten Beruf arbeiten wollen. Daran haben die dann ganz schön zu knabbern.” Vor einiger Zeit sei sie mit einem Kollegen, der in Syrien Anwalt war, beim Jobcenter gewesen. „Da hieß es nur: ,Sie müssen sich damitabfinden, dass sie diesen Beruf in Deutschland nie ausüben können. Ein neues Studium wird nicht bezahlt.‘” Entsprechend froh wären viele, sagt K., wenn es für sie mehr Hilfen gäbe.
Aus: Forum Migration Dezember 2018