
Antworten auf den Krieg
Auch einen Monat nach Russlands Überfall auf die Ukraine sind die Auswirkungen dieses zutiefst verbrecherischen Krieges nicht absehbar. Doch die neuen Realitäten verlangen nach schnellen Antworten, von der Politik und aus der Zivilgesellschaft. Wie gehen Gewerkschaften mit der Situation um? Welche Möglichkeiten der praktischen Solidarität mit Gewerkschafter_innen und Flüchtenden gibt es? Was bedeutet der Krieg für die Lage migrantischer Arbeiter_innen aus der Ukraine? Und welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um die Ausbeutung der Flüchtenden zu verhindern, wenn diese eine Beschäftigung suchen?
Am 13. März 2022 demonstrierten der DGB und seine acht Mitgliedsgewerkschaften gemeinsam mit einem breiten Bündnis und 125.000 Menschen in Berlin, Frankfurt, Leipzig, Stuttgart und Hamburg für Frieden, Solidarität und Abrüstung. „Wir erleben die dunkelsten Wochen seit Ende des Zweiten Weltkrieges”, sagte der DGB Vorsitzende Rainer Hoffmann. Als er kurz zuvor eine Videokonferenz mit Gewerkschaftskolleg_innen aus der Ukraine hatte, seien in jenem Moment Bomben auf den Fernsehturm von Kiew gefallen. „Es war unsäglich bedrückend”, so Hoffmann. Doch Wut und Trauer würden nicht hilflos machen. „Unsere Solidarität ist stärker.“
In einer Erklärung versprach der DGB, gemeinsam mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund (ITUC) und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (ETUC) „solidarisch an der Seite der mutigen Menschen in der Ukraine“ zu stehen. Für Menschen, die Aufnahme in Deutschland finden müssen, kündigte der DGB an, selbst Unterkünfte bereitzustellen und sie materiell zu unterstützen. Er wolle dafür sorgen, dass die „Zugänge zum Arbeitsmarkt für Flüchtende offen stehen und gemeinsam mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung den ukrainischen Schwestergewerkschaften vor Ort helfen“.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke verwies auf sehr enge Beziehungen zu einer Reihe von ukrainischen Gewerkschaften, insbesondere im öffentlichen Sektor und der Seefahrt. Es gebe gemeinsame Projekte, etwa in der ukrainischen Hafenstadt Odessa, die ver.di seit Jahren unterstütze. Derzeit erreichten ver.di „jeden Tag Hilferufe unserer Kolleginnen und Kollegen, ihr Leben ist bedroht”, sagte Werneke. Die Gewerkschaftshäuser in den Teilen der Ukraine, in denen der Krieg noch nicht tobt, seien wichtige Anlauf- und Versorgungsstellen für Geflüchtete im Inland. Werneke verwies auf einen Spendenaufruf des DGB, auch die GEW ruft zu Spenden auf (Kasten).
Die IG BAU verbreitete ein Interview, das Vasyl Andreyev, der Vorsitzende der ukrainischen Baugewerkschaft PROFBUD der israelischen Zeitung Davar gegeben hatte. Andreyev hatte zwei Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffs die Grenze zu Moldawien erreicht, um seine Frau und seine Kinder an einen sicheren Ort zu bringen. „Jetzt bin ich ein bisschen ruhiger, da ich weiß, dass sie sicher sind.“ Die Familie kam in einem Hotel in Chisinau unter.
„Die Wirtschaft des Landes an sich wurde zerstört“, sagte Andreyev. „In den ersten paar Wochen werden die Menschen ihre Ersparnisse verwenden. Leider höre ich von vielen Arbeitern, dass sie die Gehälter vom Februar nicht bekommen haben.“ Der Treibstoffpreis sei um 20 % gestiegen, Lebensmittel seien kaum noch verfügbar. Auch für diese würden die Preise steigen.
Die Arbeit der Gewerkschaft sei unterbrochen, Mitarbeiter_innen hätten sich in Bunker flüchten müssen. „Jetzt sind wir dabei, Unterkünfte für alle zu organisieren, die aus dem Osten des Landes in den Westen kommen“, so Andreyev. Er sorge sich, wie die Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten, arbeiten und essen können. „In der Ostukraine kann man bisher überhaupt nicht mit den Arbeitgebern verhandeln. Wir fordern, dass sie die Februarlöhne zahlen. Erst dann werden wir zu den humanitären Aufgaben übergehen können, um die Menschen in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen.“
Der Europäische Gewerkschaftsbund ETUC verurteilte in einer Resolution Russlands Angriff auf die Ukraine auf das Schärfste und verwies auch auf die Repressionen in Russland gegen diejenigen, die gegen den Krieg in der Ukraine protestieren. „Wir verpflichten uns, russische Gewerkschaften, Arbeitnehmende, Aktivist_innen und Pazifist_innen zu unterstützen, die sich dem Krieg gewaltlos widersetzen“, so ETUC. Der Verband bekundete auch seine Solidarität „mit der russischen und weißrussi-schen Bevölkerung, die von den Auswirkungen der Sanktionen oder von Formen der Diskriminierung wegen eines Krieges betroffen ist, für den sie nicht verantwortlich ist“.
Aufruf DGB Großdemo
Vollständiges Interview mit Vasyl Andreyev auf der Seite der IG BAU
Interview mit Frank Werneke auf der Seite von ver.di
Resolution des Europäischen Gewerkschaftsbundes ETUC
Spenden für die Ukraine
Der DGB Verein „Gewerkschaften helfen e.V. “ hat ein Spendenkonto eingerichtet, um den vor Krieg und politischer Repression Geflüchteten zu helfen. I Gewerkschaften helfen e.V.; Nord LB; IBAN: DE40 2505 0000 0151 8167 90; BIC: NOLADE2HXXX; Stichwort: Gewerkschaftliche Ukraine-Hilfe
Die GEW ruft zu Spenden für den Heinrich-Roden-stein-Fonds auf um die ukrainische Bildungsge-werkschaft und ihre Mitglieder zu unterstützen. Viele seien auf der Flucht. Sie haben fast alles ver-loren und benötigen Hilfe.
I Heinrich-Rodenstein-Fonds; Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale; IBAN: DE88 5005 0000 0084 0001 24; BIC: HELADEFF; Stichwort: Ukraine
Entnommen aus Forum Migration April 2022