
„Abwehr unerwünschter Gruppen”
Perspektivlosigkeit, Angst, bis hin zu Verelendung und Wohnungslosigkeit – das seien die Folgen der immer häufigeren Verweigerung von Sozialleistungen für EU-Bürger_innen durch deutsche Jobcenter. Dies beklagen zwölf sozialpolitische Initiativen, darunter die Landesarmutskonferenz Berlin und das Komitee für Grundrechte und Demokratie, in einem Brief an das Bundesarbeitsministerium.
Darin heißt es, die Bundesagentur habe ihre internen Vorgaben verschärft, die Agentur hege einen „kaum verklausulierten Generalverdacht“ gegen Geringverdienende in prekären Beschäftigungsverhältnissen und aus bestimmten Herkunftsstaaten. Diese hätten es nun sehr viel schwerer, die ihnen zustehenden Leistungsansprüche durchzusetzen. Die Rede ist von neuen Prüfkriterien, die die Agentur nach eigenen Angaben zur Bekämpfung des „bandenmäßigen Leistungsmissbrauchs“ und zur „Vermeidung und Aufklärung rechtswidriger Leistungszahlungen“ an EU-Bürger_innen erlassen habe. Die Prüfkriterien könnten die betroffenen Leistungsberechtigten aber „faktisch kaum erfüllen“ beklagen die Sozialinitiativen. Wer dringend auf sozialstaatliche Unterstützung angewiesen sei, erhalte diese nicht oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten. „Unser subjektiver Eindruck ist: Das Ziel der Jobcenter ist weniger das Ziel des ,Förderns und Forderns‘ leistungsberechtigter und hilfebedürftiger Personen, als immer häufiger die Abwehr unerwünschter Personengruppen“, heißt es in dem Brief.
An anderer Stelle werden die Sozialleistungsansprüche von EU-Bürger_innen indes gestärkt: Anfang Oktober hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass EU-Ausländer_innen, deren Kinder in Deutschland zur Schule gehen, bei Arbeitslosigkeit Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben (FM 11/20). Deutsche Jobcenter hatten dies zuvor verweigert. Der Sozialausschuss des Bundestages hat nun am 4. November einen Gesetzentwurf vorgelegt, um das Urteil umzusetzen. Derweil hat der Paritätische eine Arbeitshilfe für die Beratung von Unionsbürger_innen herausgegeben. Die soll dabei helfen – auch rückwirkende – Ansprüche auf Grundlage des EUGH-Urteils gegenüber dem Jobcenter durchzusetzen.
Offener Brief an das BMAS: https://bit.ly/36KwnfG
Antwort des BMAS: https://t1p.de/uspo
Arbeitshilfe Paritätischer: https://bit.ly/3owIrHl