Zukunftsfähiges Bauen: Green Building in Afrika Revival des traditionellen Bauens
09.12.2022 I In vielen afrikanischen Staaten boomt die Bauindustrie. Nachhaltiges Bauen wird dabei immer wichtiger – es ist nicht nur klimaschonender, sondern dank lokaler Rohstoffe oft auch günstiger. Zudem sind die grünen Gebäude auf die zunehmende Erhitzung ausgerichtet und nützen so allen.
Als der Architekt Francis Kéré in seinem Heimatort Gando in Burkina-Faso für Lehmziegel warb, stieß er zunächst auf Ablehnung. Der traditionelle Baustoff galt als brüchig und minderwertig. Präferiert wurden »westliche« Materialen wie Zement. Der Student konnte die Dorfgemeinschaft aber von seinen Lehmziegeln überzeugen und vollendete 2001 die Gando Grundschule, die bald danach als Top-Beispiel für nachhaltiges und soziales Bauen galt.
Dass die Bauindustrie in den großen Metropolen Afrikas boomt, hat viele Gründe: Die Bevölkerung wächst, die Wirtschaft auch. Ein Plus zwischen 2 und 7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt spielt Geld in die Hände von Eliten, die wiederum in Hochhäuser, Bürokomplexe und Wohnblöcke investieren. Und nach jahrzehntelangem kommerziellen Bauen mit »westlichen« Materialien wie Zement erlebt nachhaltiges Bauen derzeit ein Revival, das auf traditionelle Techniken und Baustoffe wie Lehmziegel zurückgreift.
»Afrika wird mit am schwersten vom Klimawandel betroffen sein. Es ist wichtig, dass wir dafür bereit sind«, sagt Danjuma Waniko, Präsident des Nigeria Green Building Council. »Grüne Gebäude mindern nicht nur CO2-Emmissionen, sondern sie helfen auch bei der Adaption. Wenn es heißer wird und wir mehr Fluten haben, brauchen wir grüne Gebäude, die dem Stand halten.« Insgesamt gibt es in den afrikanischen Ländern 13 solcher Räte für Grünes Bauen. Sie sind gemeinnützige Organisationen, die sich über ihre Mitglieder tragen und Zertifizierung, Training, Informationen sowie konkrete Hilfestellungen zu nachhaltigem Bauen anbieten. Damit gemeint ist das Errichten energieeffizienter, ressourcenschonender und umweltbewusster Gebäude. Das beginnt mit dem umweltschonenden Standort und beinhaltet die Auswahl von nachhaltigen und umweltverträglichen Materialen. Es umfasst Praktiken im Design, der Konstruktion und dem späteren Betrieb, die möglichst wenig Abfall verursachen, Emissionen ausstoßen und Energie verbrauchen.
Die Vernetzung von Gewerkschaften zum Thema grünes Bauen nimmt Fahrt auf.
Dieser Trend zur ökologischen und sozialen Transformation der Bauindustrie ist ganz im Sinne der afrikanischen Baugewerkschaften. Als Teil des Internationalen Bau und Holzarbeiter-Gewerkschaftsverbunds BHI erklärten sie im Vorfeld der internationalen Klimakonferenz in Ägypten, der COP27, Arbeitnehmer_innen in der Baubranche seien besonders vom Klimawandel betroffen, zum Beispiel von Hitzewellen und anderen extremen Wetterereignissen. Sie fordern deshalb »eine mutige Politik für Klimawandel und wirtschaftliche Gerechtigkeit«. Neben Investitionen in Arbeiter_innen und der Einhaltung von Arbeitsstandards verlangen sie beispielsweise verantwortungsvolle öffentliche Auftragsvergabe für grüne Gebäude und erneuerbare Energieinfrastruktur. Aber auch Unternehmen und Finanzinstitute müssten einen stärkeren Fokus auf nachhaltiges Bauen legen.
»Die größte Herausforderung, die wir im Moment haben, ist fehlendes Bewusstsein, und dass Leute glauben, nachhaltiges Bauen sei teuer. Aber der Kostenunterschied ist nicht so groß«, erklärt Waniko. Oft könne grünes Bauen sogar günstiger sein, wenn zum Beispiel lokale Materialen genutzt würden. Zudem würden höhere Kosten bei Baubeginn durch spätere Energieeinsparungen wieder ausgeglichen, sagt Waniko.
So sieht das auch Architekt Anthony Okoye. Eines seiner letzten Gebäude ist das nationale IT-Zentrum in Abuja, Nigeria, das 2021 fertig gestellt wurde. »Unser Grundgedanke bei dem Gebäude war, möglichst viel passive Energie zu nutzen, also beispielsweise natürliches Licht«, sagt Okoye. Für die natürliche Kühlung kommen Sonnenblenden zum Einsatz. Außerdem ist das Gebäude so ausgerichtet, dass der Südwestwind eingefangen wird und zirkuliert. Gebaut wurde es aus in der Region abgebautem Granit. Geplant sind noch ein grünes Dach, das ebenfalls kühlend wirkt, und Solarpanele für die Nachtbeleuchtung.
Auch Okoye sieht noch Raum nach oben beim Bewusstsein für nachhaltiges Bauen. Nicht nur bei Investoren, sondern auch bei den Beschäftigten – sowohl bei den Architekt_innen als auch bei den Bauarbeiter_innen. Der Regionalausschuss Afrika- und Mittlerer Osten der BHI fordert deshalb Regierungen und Unternehmen auf, in Aus- und Weiterbildungen im nachhaltigen Bauen zu investieren.
Manche Regierungen haben diese Chance für den Arbeitsmarkt bereits aufgegriffen. Südafrika, Sambia und Mosambik begannen 2013 gezielt, Bauarbeiter_innen und Beschäftigte kleiner Unternehmen im nachhaltigen Baugewerbe zu fördern. Die Länder geben an, sie konnten dadurch das Bewusstsein für nachhaltiges Bauen erweitern und mehrere Tausend grüner Jobs schaffen.
Die Vernetzung von Gewerkschaften zum Thema grünes Bauen nimmt derzeit Fahrt auf. Im Netzwerk der Bauindustrie im südlichen Afrika etwa koordinieren sich Gewerkschaften und Organisationen aus fünf Staaten für eine grünere Bauwirtschaft. In Simbabwe drängt die Gewerkschaft der Zementarbeiter (CLAWUZ) darauf, die Zementfabriken auf erneuerbare Energiequellen umzustellen. In Burkina Faso hat die Bau-Gewerkschaft FTBBF das Training selbst in die Hand genommen und bildet junge Menschen in Solarinstallationen aus.
Autorin: Leila van Rinsum ist Journalistin und lebt in Berlin. Davor hat sie unter anderem für verschiedene Institutionen in Kenia gearbeitet.
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