Netzwerk für Arbeitsrechte »Veränderung über Solidarität«
4.12.2025 I Seit Jahren sind die Zustände auf Palmöl-Plantagen schlimm. Das Palmöl-Netzwerk TPOLS will das ändern. Unter anderem gehe es darum, „in Deutschland über die Situation zu informieren“, sagt Gewerkschafterin Sarah Richter. Palmöl stecke schließlich in Tiefkühlpizzas, Tüten-Kartoffelpüree, Schokolade und vielen anderen Lebensmitteln.
NSN: Die Hälfte der Supermarktprodukte enthält heute Palmöl, seit Beginn des Jahrtausends hat sich die weltweite Produktionsmenge mehr als verdreifacht. Was heißt das für die Menschen in den Produktionsländern?
Sarah Richter: Palmöl wird in unfassbar großen Monokulturen angebaut, vorrangig in Indonesien und Malaysia, aber auch in anderen Ländern rund um den Äquator. Die großindustrielle Palmölindustrie in Indonesien nutzt ehemalige Waldgebiete, die den Einwohnern oft jahrhundertelang zur Selbstversorgung dienten. Seit der Staat in großem Stil Konzessionen an die Palmölindustrie vergeben hat, haben viele Menschen ihre traditionelle Lebensgrundlage verloren.
Wie sind die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen?
Nicht gut. Die Kleinbauern stehen unter starkem Druck der Abnehmer, auf den großen Plantagen arbeiten viele Migrant*innen aus anderen Teilen Indonesiens. Sie leben in Unterkünften auf dem Gelände und verrichten sehr schwere und auch gefährliche Arbeit. Die Früchtebündel wiegen etwa 30 Kilo und müssen mit einer Machete oben vom Baum abgeschlagen werden. Um die Plantagen von anderem Bewuchs frei zu halten, versprühen Arbeiter*innen mit schweren Kanistern hochgiftige Herbizide und Pestizide. Bei all diesen Arbeiten kommt es immer wieder zu Unfällen und nicht selten zu schweren Verletzungen.
Gibt es keinen Arbeitsschutz?
Es gibt zwar Schutzmasken, aber die sind häufig dysfunktional und behindern die Arbeit eher, weil sie das Atmen bei der enormen körperlichen Anstrengung schwerer machen. Das Ganze findet ja bei tropischen Temperaturen statt. Ein großes Problem ist auch der mangelnde Zugang zu sauberem Wasser. Außerdem sind die Plantagendörfer oft weit weg von öffentlichen Infrastrukturen. Da leben ja auch Kinder, die oft keinen Zugang zum staatlichen Schulsystem haben.
Und die Löhne?
Die sind gestaffelt nach den Arbeitsbereichen und oft kaum höher als der indonesische Mindestlohn. Viele Arbeiter*innen bekommen auch kein fixes Gehalt, sondern müssen eine bestimmte Fläche am Tag schaffen. Frauen sind überwiegend sogar nur als Tagelöhnerinnen beschäftigt.
Das RSPO-Siegel versichert der Kundschaft in Europa und den USA, dass das Palmöl aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammt. Was ist davon zu halten?
RSPO ist eine freiwillige Selbstverpflichtung mit laschen Kriterien. So ist zum Beispiel das hochgiftige, in Europa verbotene Herbizid Paraquat auf den Palmölplantagen in Indonesien weiter im Einsatz. Auch die RSPO-Kontrollen sind viel zu schwach, bei Verstößen gibt es keine wirklichen Sanktionen. Gewerkschaften, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie Interessenvertretungen von Indigenen sind zwar offiziell beteiligt, haben aber real kaum Einfluss.
Hat das deutsche Lieferkettengesetz schon zu Verbesserungen in der Palmölwirtschaft geführt?
Konkret noch nicht. Aber ich sehe die Chance, dass es etwas ändern könnte, wenn es Bestand hat. Unseren Kolleg*innen vor Ort hat die Einführung viel Zuversicht gegeben, dass sich wirklich wirksame Mechanismen etablieren lassen. Und es ist gelungen, dass das europäische Gesetz an einigen Stellen sogar noch stringenter formuliert ist. Das aktuelle Hin und her aber ist natürlich sehr schädlich.
Die NGG ist Mitglied im Netzwerk für transnationale Palmöl-Arbeitssolidarität (TPOLS). Wie arbeitet diese Organisation?
Das Netzwerk ist ein breiter Zusammenschluss von Gewerkschaften, Umwelt-, Frauen- und indigenen Rechtsorganisationen aus Asien, Afrika und Europa. Der Fokus liegt auf den Bedingungen für die Arbeiter*innen.
Was sind Eure größten Erfolge?
Die Vernetzung an sich ist ein großer Erfolg, weil sie Informationsaustausch und Wissenstransfer ermöglicht. Wir haben gemeinsam ein Konzept entwickelt, wie ein Übergang zu einer gerechten und sozial-ökologisch nachhaltigen Palmölproduktion aussehen könnte. Ein wichtiger Hebel für Veränderungen sind natürlich Streiks und gewerkschaftliche Kämpfe. Die sind hart für die Kolleginnen vor Ort. Es ist schwer, als Verhandlungspartner von den Unternehmen ernst genommen zu werden, und es gibt viel staatliche Repression.
Was tut die NGG?
Im vergangenen Jahr waren Gewerkschafter*innen und Arbeiter*innen aus Indonesien in Deutschland. Ein Ansatz des TPOLS-Netzwerks ist es, Veränderungen über eine Solidarität entlang der Lieferkette zu erreichen. Da geht es zum einen darum, in Deutschland über die Situation zu informieren; schließlich steckt Palmöl in Tiefkühlpizzas, Kartoffelpüree in Tüten, in Schokolade und und und. Bei uns verwenden so gut wie alle Betriebe der Lebensmittel- und Chemieindustrie Palmöl. Zum anderen haben unsere Betriebsräte durch das Lieferkettengesetz ja auch Mitbestimmungsrechte, wenn es um die Einführung von Beschwerdestellen oder um Risikoanalysen geht.
Interviewte: Sarah Richter, Gewerkschaftssekretärin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, NGG, setzt sich im Netzwerk Transnational Palm Oil Labour Solidarity (TPOLS) für eine Verbesserung der Arbeits- und Umweltbedingungen in der Palmölindustrie ein.
Interviewerin: Annette Jensen lebt als Journalistin in Berlin und befasst sich mit Wirtschaft, Umwelt und Gerechtigkeit.
Aus NORDSÜD NEWS III Dezember 2025 - Gute Arbeit entlang der Lieferkette